Modell: Klangfarben einer Orgel
Machen Sie sich mit den verschiedenen Klangfarben und Klangfamilien (Register) vertraut. Hier an diesem Modell soll Ihnen der Klang einer Orgel vorgestellt werden, ja Sie selbst als Museumsbesucher, können sich die Töne und Klangfarben ertasten, zusammenstellen und vor allem hören.
Unser Modell stellt Ihnen aus jeder Klangfamilie einzelne Klangfarben (Register) vor. Die Klangfamilie der Lippen –und Labialpfeifen: sie sind mit etwa 85 % am Pfeifenbestand einer Orgel beteiligt.
Der Ton wird bei dem Lippen- oder Labialpfeifen auf die Weise erzeugt, daß der von unten durch die Fußbohrung strömende Luftstrom (Wind, so bezeichnet der Orgelbauer die Luft) durch die enge Kernspalte getrieben wird, er trifft gegen das scharfkantige Oberlabium (Oberlippe) und bricht sich dort.
Ein Teil des Windes (Luftstrom) dringt in den Pfeifenkörper ein und bringt die darin eingeschlossene Luftsäule zu Schwingen, diese Schwingungen empfinden wir als Ton.
Ist die Pfeife kurz, so schwingt die Luftsäule schnell – der Ton ist hoch; ist die Pfeife lang, so schwingt die Luftsäule langsam –der Ton ist tief. Beachten Sie den Blasebalg in seinen Bewegungen je nachdem wieviele Register Sie ziehen und Tastenhebel Sie in Bewegung setzen.
Von links beginnend sehen Sie am Modell ein Register (Klangfarbe) aus Holz, das Gedeckt 8‘ (8‘ bedeutet acht Fuß; Fuß ist ein altes Längenmaß und entspricht z.B. 32,2 cm (Pariser Fuß), 28,3 cm sächsischer Fuß oder 28,7 cm Hamburger Fuß). Das Gedeckt ist oben mit einem Stopsel versehen, der mit Filz belegt ist. Durch Auf- und Niederschieben des Stopsels kann die Pfeife gestimmt werden. Eine gedeckte Pfeife ist für denselben Ton etwa um die Hälfte kürzer als eine offene Pfeife. Beim Gedeckt fehlen die Obertöne, so daß das Register eigentümlich hohl klingt. In alten Orgelwerken tritt das Gedeckt auch unter dem Namen Hohlflöte auf.
Gleich neben dem Gedeckt 8‘ finden wir aus Metall die Rohrflöte 4‘. Hier ist der Deckel einer gedeckten Pfeife durchbohrt, auf die Bohrung wird ein Röhrchen gelötet, der Klang ist auffallend hell durch die Obertöne, die allerdings nicht getrennt von unserem Ohr aufgefasst werden.
Um weiter bei den Flötenregistern zu bleiben, gehen wir an den rechten Rand des Klangfarbenmodells und finden am rechten Ende die Holzflöte4‘aus Holz (Fichte). Hier handelt es sich um eine offene Flötenstimme, die hier als 4‘ (Fuß) fast genauso lang ist, wie das Gedeckt 8‘ auf der äußersten linken Seite. Zur Erläuterung: der 4‘ (Fuß) klingt eine Oktave (acht Töne) höher, als der 8‘ (Fuß). Man kann die Holzflöte auch mit einem Flötenprinzipal oder Holzprinzipal vergleichen mit enger Mensur (geringem Durchmesser). Der Ton ist rund, klar und bestimmt.
Links neben der Hohlflöte, treffen wir auf die Spitzflöte4‘aus Metall. Ein offenes Flötenregister, das spitz (konisch) zuläuft, der obere Durchmesser beträgt 1/3 bis 1/4 des unteren. Der Ton ist nicht zu stark, aber bestimmend und hell.
Im Bereich der Klangfarbenfamilie der Lippen und Labialpfeifen kommen wir nun zu den Streichern. Wir richten unseren Blick nach links, gleich neben der Rohrflöte 4‘ finden wir die Gamba 8‘, das Salicional 8‘ und die Aeoline 8‘ gleichermaßen ein Streichtrio, das besonders im romantischen Orgelbau des 19. Jahrhunderts Anklang fand. Man wollte damals mit der Orgel auch ein Orchester imitieren.
Die Streicherstimmen haben einen engen Durchmesser (Mensur), sie sind hier am Labium (an den Lippen) mit einem Rollenbart versehen, der ein besseres Ansprechen eines Streichregisters garantieren soll.
Kommen wir zum ersten Streicher, der Gamba8‘, aus dem Italienischen Viola di Gamba = Kniegeige. Es ist wohl das bekannteste Register aus der Familie der Streicher, der Ton soll, raumfüllend, aber zart streichend sein, kein durchdringendes Forte.
Gleich daneben rechts treffen wir das Salicional8‘(Weidenpfeife), eine Streicher von geringem Durchmesser (Mensur). Das Register (Klangfarbe), soll um 1750 von dem Londoner Orgelbauer Snetzler gebaut worden sein. Das Salicional ist klanglich eine Abschwächung der Gamba, die Ansprache im Klingen etwas zögernd, zusammen mit einer Flöte 4‘ (Fuß) zur Begleitung einer Singstimme oder anderer Instrumente bestens geeignet.
Das vom Durchmesser her engste Mitglied der Streicherfamilie ist die Aeoline8‘ihr
DurchmesseraufC8‘(Fuß),misstnichteinmal30mm!DerTonistzart,luftdurchwoben, aber auch gekünstelt. Die Aeoline ist ein bißchen höher gestimmt als die anderen
Register unseres Modells. Dadurch entsteht eine deutlich wahrnehmbare Schwebung.
Sie hören dies an der leichten Schwingung, die dann eintritt, wenn Sie ein weiteres Register wie z.B. das Gedeckt 8‘ hinzuziehen.
Nun zu den Hauptfarben, den Trägern des Klangsystems einer Orgel, den Principalen.
Principal ist die Hauptstimme, auf ihr baut sich das Tongebäude einer Orgel auf. In unseremKlangfarbenmodellbegegnenunsPrincipal4‘,Principal2‘undPrincipal1‘.Die Principale gehören zu den Flöten, sie klingen hell, kräftig, aber nicht aufdringlich.
Ziehen Sie eines der beiden Principale, z.B. Principal4‘,drücken Sie die Hebeltasten
einzeln und im Vierklang. Rasten Sie die Hebel ein nach links und hören Sie den hellen, kräftigen Klang. Zum Principal2‘ziehenSiedas Gedeckt8‘,siehöreneinen
leichten, hellen Klang, der Sie auf die barocke Orgel hinweist.
Auf dem Weg zur Barockorgel treffen wir nun auf die Aliquotstimmen, wie Terz 1 3/5,
ein Obertonregister. Ein Ton, den wir hören, ist nicht ein einziger Ton, sondern eine Zusammensetzung von mehreren Tönen, die für unser Ohr zu einem Ton verschmelzen. So
können z.B.
Der Ton, den wir wirklich hören, er kommt durch die Verschmelzung der Teiltöne zustande, dieser Ergebniston ist so hoch wie der tiefste dieser Teiltöne. Den tiefsten Teilton nennt man „Grundton“, die übrigen Teiltöne werden „Obertöne“ genannt (nach Klotz, Das Buch von der Orgel). Unsere Terz 1 3/5 gehört zum 8‘ (Fuß). Terzen machen den Klang dunkel. Sie sind vor allem für den Effekt eines Hornklanges zu verwenden!
Ziehen Sie zur Terz 1 3/5 die Gamba 8‘, dann die Spitzflöte 4‘, bedienen Sie den Tastenbefehl und lassen Sie sich vom Klang überraschen.
Eine weitere Obertonstimme ist die Quinte 1 1/3‘, wobei 4/3 zur 4‘ (Fuß) gehören. Die Quinte 1 1/3‘ kann zu jeder Registermischung herangezogen werden. Zum Gedeckt 8‘ passt sie bestens, ziehen Sie auch einmal die Aeoline 8‘ hinzu und ziehen Sie die Klangfarben (Register) nach Ihrer Wahl.
Dem barocken Orgelbau folgend finden wir in unserem Modell auch die sog. Klangkronen wie Mixtur1‘vierfachund Zimbel½‘dreifach. Sie bringen Glanz in ein Orgelwerk. Die Mixtur besteht aus vier Chören und bei unserem Modell zu je vier Pfeifen, d.h. ein vierfacher Chor, für die Töne. Die Mixtur kommt vom Lateinischen Mixtura=Mischung. Die Chöre der Mixtur sind schon auf Taste C mit kleinen Pfeifen besetzt, hier am Modell ein 1‘ (Fuß), kann dies über die ganze Klaviatur (Manual) ausgeführt werden, da so winzige Pfeifen nicht hergestellt werden können bzw. der Klang ist nicht mehr darstellbar. Deswegen brechen die Pfeifenreihen an der obersten Tongrenze ab und werden mit größeren Pfeifen weitergeführt; dies kann mehrmals geschehen, dieser Vorgang wird Repetition genannt.
Die Zimbel ½‘, dreifach, ist mit drei Chören besetzt und beginnt mit einem ½ (Fuß).
Der helle schimmernde Klang läßt eine Orgel glitzern. Die Zimbel ist, die Lippenpfeifennachahmung für den mit Schellen besetzten Zimbelstern. Das Register bewegt sich immer an der oberen Tonhöhe, es repetiert (siehe unter Mixtur) sehr häufig. Kombinieren Sie die Zimbel mit dem Gedeckt 8‘ mit dem Prinzipal 4‘ und auch einmal mit den Streichern (Salicional 8‘, Gamba 8‘ Aeoline 8‘).
Neben den Lippenpfeifen gehören zur Orgel eine zweite Gattung tongebender Instrumente, die man Rohrwerke (der lange Aufsatz, oftmals ein Trichter), Zungenstimme oder Schnarrwerke bezeichnet. Der Name „Zungenstimme“ kommt von einem Metallblatt, das den Ton erzeugt, indem sie die Luftsäule im Körper (Rohraufsatz, siehe Zeichnung) zum Schwingen bringt. Gestimmt werden die Zungenpfeifen mit der Krücke.
Beginnen wir mit dem Schnarrwerk Trompetenregal 4‘ (Fuß). Ziehen Sie dieses Register und freuen Sie sich an dem Schnarren, das aus seinen Bechern dringt. Wir haben hier ein Rohrwerk mit kurzen Aufsätzen. Stoßen Sie das Trompetenregal wieder ab und ziehen Sie nun das Krummhorn 8‘; es zählt zu den ältesten Pfeifenreihen. Die Rohraufsätze sind von oben nach unten in gleichem, engem Durchmesser. Der Klang ist klar, trotzdem ein bißchen verschleiert. Das Krummhorn kann immer als Solostimme eingesetzt werden. Nun kommen wir zum letzten Register (Klangfarbe) dieses Orgelmodells, der Trompete8‘(Fuß). Es ist wohl das bekannteste und am häufigsten verwendete Zungenregister. Sie hat trichterförmige Aufsätze. Ihr Klang ist festlich.
Zusammen mit dem Lippenpfeifen, vor allem auch den Mixturen, verleiht sie der Orgel feierlichen Glanz. Nun hören Sie und probieren Sie, kommen Sie hinter das Geheimnis eines Orgelklangs, seiner Zusammensetzung mit den Klangfarben (Registern)!